Geocaching – Hide and Seek

Geocaching – Hide and Seek

Langsam, aber sicher werde ich nervös. Wo versteckt sich der Kleine denn nur? «Achtung Muggel!» warne ich meine Kollegin und versuche möglichst unauffällig zu wirken, während wir die Passanten aus den Augenwinkeln vorbeiziehen sehen. Als sie um die Ecke gebogen sind, geht die Suche weiter. Die Koordinaten stimmen, doch das Versteck bleibt weiterhin verborgen. Jeder Stein wird umgedreht, unter jede Bank ein Blick geworfen. Doch heute scheinen wir kein Glück zu haben…

Wusstet Ihr, dass allein in Chur 30 kleine Schätze versteckt sind? Sogenannte Caches. In der gesamten Schweiz sind es weit mehr als 10’000 und weltweit sogar über 1.4 Millionen! Sie könnten überall verborgen sein. Wahrscheinlich seid Ihr schon 1’000 Mal an ihnen vorbeigelaufen und habt nichts von ihrer Existenz geahnt. Wieso? Weil Ihr Muggels seid – Unwissende.

Lasst mich Euch ein kleines bisschen in unser Geheimnis einweihen. Unser Spiel nennt sich Geocaching. Was sich aus dem griechischen Wort „Geo“ für Erde und dem englischen Wort „cache“ für geheimes Versteck zusammensetzt. Dabei handelt es sich um eine moderne Variante der Schatzsuche, auch High-Tech-Schnitzeljagd genannt. An Stelle einer Schatzkarte wird stattdessen ein GPS (Global-Positioning-System) verwendet, um den Verstecken auf die Spur zu kommen. Beim Vorgänger, dem sogenannten Letterboxing, musste das Ziel noch mit Hilfe eines Kompasses und einigen Hinweisen gefunden werden. Erst aus den neuen technischen Möglichkeiten entstand das moderne Geocaching, wie wir es heute kennen.

Wir sind nicht auf der Suche nach grossen Schatzkisten, die aus der Erde gebuddelt werden müssen. Unsere Schätze nennen sich Caches und unterscheiden sich in Grösse und Form sehr voneinander. Dabei kann es sich um eine Filmdose, eine kleine Metallbox oder auch nur um einen Plastikbeutel handeln. Natürlich sollte der Behälter wasserdicht sein. Ein solcher Cache kann von jedem versteckt werden. Sei es nun mitten in der Grossstadt, oder auch fernab jeglicher Zivilisation in freier Wildbahn. Sie werden mit Hilfe von Magneten an Metallbalken befestigt, zwischen Wurzeln, getarnt von Blättern versteckt, oder sogar unter Wasser verankert. Nur eine Regel gilt es dabei zu beachten: Die Natur darf durch einen Cache nicht zu Schaden kommen. Oft wählt der Besitzer oder Owner, wie wir ihn nennen, eines Caches für sein Versteck einen besonders sehenswerten Ort, den er gerne mit seinen Mitmenschen teilen möchte. Ist der Cache erstmal versteckt, müssen die Koordinaten im Internet veröffentlicht werden. Das weltweit grösste Verzeichnis dafür ist www.geocaching.com. Neben den Koordinaten gibt der Owner hier auch die Schwierigkeitsstufe des Versteckes und des Geländes, sowie die Grösse des Caches an. Zusätzlich kann er auch noch weitere Hintergrundinformationen zu seinem Cache oder der Umgebung anbringen. Somit ist die Suche eröffnet.

Die Koordinaten können nun auf ein GPS geladen werden, welches Euch dann den Weg zum Cache weist. Und zwar direkt zum Cache? Nein, ganz so einfach ist die Sache dann doch wieder nicht. Die Koordinaten führen einen Geocacher lediglich in die Nähe des Schatzes. Der Cache muss dort erst noch gefunden werden, was sich manchmal als sehr knifflige Aufgabe herausstellt, denn die Verstecke werden immer einfallsreicher. An stark bevölkerten Plätzen stellt sich uns Geocachern noch ein weiteres Hindernis – die Muggels. Unter einem Muggel verstehen wir alle Nicht-Geocacher, daher alle Passanten, die nicht am Spiel beteiligt sind. Es gilt der Grundsatz: Lass dich nie von einem Muggel erwischen! Denn unsere Caches sollen nicht in die falschen Hände geraten.

Und nun, da der Schatz gefunden ist? Was haben wir davon? Geld? Reichtum? Nein, da muss ich Euch leider enttäuschen. Unser Schatz besteht meist nur aus einem Logbuch und mehreren kleinen Tauschgegenständen, wie Murmeln, Figürchen aus Überaschungseiern, Spielzeugautos, etc. Der Schatz darf auch nicht entwendet werden. Wir tragen uns im Logbuch ein, tauschen einen der Gegenstände aus und verstecken den Cache wieder genauso, wie wir ihn vorgefunden haben. Reich wird also keiner bei dieser Schatzsuche. Der wahre Lohn dabei ist das Erfolgserlebnis, wenn die Liste der gefundenen Caches nach und nach steigt. Das Kribbeln, wenn wir umgeben von einer Schar Muggeln auf der Bahnhofstrasse einen Schatz heimlich bergen. Die Freude, wenn ein besonders schwieriges Versteck entdeckt wurde. Der Weg ist unser Ziel. Und hat das Geocachingfieber einem erstmal gepackt, kann das Sammeln von Logbucheinträgen schon mal zur Sucht werden.

Falls Ihr Euch nun denkt: «Hey, das will ich auch mal ausprobieren!», nur zu. Dafür braucht Ihr zu Beginn auch nicht zwingend ein teures GPS. Abgesehen davon, dass bereits die meisten neuen Smartphones ein Navigationssystem enthalten, können einfache Caches auch gut ohne ein solches Hilfsmittel gefunden werden. Online Karten mit Satellitenansicht auf dem Internet sind heutzutage schon genau genug. Die Koordinaten können bei Google Earth und Co. eingegeben werden und schon geht die Suche los. Was Ihr braucht ist ein Schreibwerkzeug für den Eintrag Eurer hoffentlich erfolgreichen Suche im Logbuch und wenn Ihr wollt ein paar Tauschgegenstände. Sucht Euch für den Anfang die Caches mit tiefer Schwierigkeitsstufe aus, manchmal werden zusätzlich noch Tipps angegeben, welche die Suche noch ein wenig vereinfachen. Gefundene Caches könnt Ihr später auch im Internet vermerken, so haben die Owner immer den Überblick, wie häufig ihr Versteck besucht wurde.

Geocaching ist grundsätzlich ungefährlich. Allein durch Selbstüberschätzung bringen sich Geocacher manchmal selber in Gefahr. Daher solltet Ihr immer auf den angegebenen Schwierigkeitsgrad achten und gefährliches Gelände wie steile Felswände nur mit der richtigen Ausrüstung angehen. Es kann allerdings vorkommen, dass Caches irrtümlicherweise von Aussenstehenden als Gefahr angesehen werden. So gab es bereits Polizeieinsätze oder Bombenwarnungen und Strassensperrungen auf Grund unserer „unbekannten Vorrichtungen“. Dabei wirken Geocacher, die betont unauffällig um den Cache herumschleichen natürlich nicht gerade vertrauenserweckend.

Vielleicht, wenn Ihr in Zukunft die Augen offen haltet, erwischt Ihr einmal einen Geocacher bei der Arbeit. Noch mehr würde es mich jedoch freuen, auch Euch bald als Schatzjäger in Aktion zu sehen.

Akribisch arbeite ich mich Stein für Stein an der Mauer vor. Endlich! Verdächtig locker scheint dieser hier zu sitzen: «Ich habs!» Vorsichtig ziehe ich den Stein aus der Mauer – und tatsächlich, dahinter liegt er, unser Cache. Eine kleine, etwas schmutzige Metallbox. So unscheinbar und für uns doch so wertvoll.

Natalie Achermann (November 2010)

(Dieser Sachtext entstand im ersten Semester im Modul Schreiben und Sprechen)

 

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