Unternehmer fürs Leben

Rinaldo Willy

Mit 32 Jahren hat Rinaldo Willy bereits acht Unternehmungen gegründet und plant die Umsetzung seiner nächsten Geschäftsidee. Heute öffnet Willy seine Türen für den «Wissensplatz» und gewährt uns einen Einblick in das Leben eines Jungunternehmers.

Etwas mulmig ist mir schon zumute, als ich den Besucherraum der Algordanza betrete. Hier empfängt der Geschäftsführer Rinaldo Willy üblicherweise seine Kunden, und hier übergibt er ihnen, was von der Asche ihrer verstorbenen Liebsten übrig geblieben ist: ein funkelnder Diamant.

Die Geschäftsidee, aus menschlichen Überresten einen Erinnerungsdiamanten herzustellen, ist doch ziemlich aussergewöhnlich. Aber Rinaldo Willy wollte bekannte Schemen schon immer brechen: «Ich bin es mir gewohnt, out of the box zu denken», meint der Jungunternehmer. Mit 23 wagte er mitten im Studium den Schritt in die Selbstständigkeit. «Der Drang, eine eigene Firma zu gründen, war schon immer da.» Damals studierte er berufsbegleitend Betriebswirtschaft an der HTW Chur. Dieser Studiengang bot ihm die Möglichkeit, auch ohne Berufsmaturität zu studieren. Willy, der eine klassische KV-Ausbildung in einem Treuhandbüro absolviert hatte, konnte so ohne Zusatzschleife seinen vorgesehenen Karriereweg verfolgen. Geradlinig, zielstrebig – so wie er es mochte.

In diesem dreijährigen Studiengang habe Willy einen Einblick in alle wichtigen Bereiche eines Unternehmens erhalten und vor allem gelernt, wo er nachschauen muss, wenn er etwas nicht weiss.

Leben vom Tod

Die Geschäftsidee für sein erstes Unternehmen entwickelte Willy zusammen mit Veit Brimer, einem Gastdozenten der HTW Chur. In einem Artikel lasen sie von einem russischen Wissenschaftler, der aus verbrannten Pflanzenstoffen Diamanten züchtete. Der Gedanke, dass vielleicht auch aus menschlicher Asche ein Diamant entstehen könnte, liess die beiden nicht mehr los. Nachdem technische wie auch ethische Fragen geklärt waren, setzten sie die Idee in die Tat um. Willys erstes Unternehmen, die Algordanza, stellt in einem chemischen und physischen Prozess aus Kremationsasche sogenannte Erinnerungsdiamanten her. «Der Diamant galt schon immer als Symbol ewiger Liebe. Für die Hinterbliebenen ist es eine Möglichkeit, ihre Wertschätzung gegenüber dem verstorbenen Menschen auszudrücken.» Natürlich gab es auch kritische Stimmen in Willys Freundeskreis : «Viele waren sehr skeptisch, oder gar geschockt, als ich ihnen von unserer Idee erzählt habe. Mittlerweile stehen sie dem Thema aber sehr offen gegenüber.» Aus der ersten Skepsis wurde jeweils schnell Neugierde, und schlussendlich entstand bei den meisten die Grundhaltung: «Eigentlich eine schöne Idee, für mich wäre es aber nichts.»

Die Transformation der Asche erfolge mit grösster Sorgfalt und Pietät, die Würde des Verstorbenen zu wahren sei Willy dabei besonders wichtig.

Aller Anfang ist schwer

«Die ersten zwei Jahre waren schon hart. Wir steckten jeden Franken in die Firma. Als wir dann unseren ersten Lohn beziehen und später sogar die erste Mitarbeiterin einstellen konnten, war das schon ein grossartiges Gefühl.» Mittlerweile beschäftigt Willy 56 Mitarbeiter in 27 Ländern. In den letzten acht Jahren gründete er weitere Firmen. «Die Sempre Fides Diamonds ist auf den Markt der Tiere spezialisiert. Es werden beispielsweise Diamanten aus der Asche verstorbener Haustiere gezüchtet.» Danach folgte ein neuer Geschäftszweig im Lifestylebereich. Die Firma Augenstern mit Sitz in St. Moritz stellt Diamanten aus Haaren her: «Für den 80. Geburtstag der Grossmutter kann jedes Familienmitglied eine Strähne beisteuern, und so entsteht ein sehr persönliches Geschenk», erklärt Rinaldo Willy.

Umgang mit dem Tod

«Der Tod ist etwas ganz Natürliches, und umso früher einem dies bewusst ist, umso früher lernt man das Leben wirklich zu schätzen.» Willy ist bedingt durch seinen Job oft mit diesem Thema konfrontiert. Dies habe ihm aber auch eine gewisse Lebensqualität eingebracht: «Ich lebe viel bewusster. Früher stand ich viel mehr unter Leistungsdruck und habe immer versucht, mir etwas zu beweisen. Heute versuche ich die Gegenwart bewusst zu geniessen.»

Obwohl er gelernt hat, mit den verschiedenen Schicksalsschlägen umzugehen, die ihm in seinem Arbeitsalltag begegnen, gibt es immer wieder Fälle, die ihm sehr nahe gehen. «Es ist immer schrecklich, wenn Kinder sterben… An solchen Tagen fällt es mir schon schwer, nach Feierabend abzuschalten.» Dabei hilft es ihm, in seinem Wohnort Rapperswil-Jona joggen zu gehen, aber vor allem seine Verlobte Anja gibt ihm in einem solchen Moment den nötigen Halt. «Sie steht immer hinter mir und hält mir den Rücken frei, dafür bin ich ihr sehr dankbar.»

«Ich wäre ein schlechter Angestellter»

Mit seinen 32 Jahren kann Rinaldo Willy bereits auf eine sehr erfolgreiche Laufbahn zurückblicken. «Ich bin kein materialistischer Mensch. Geld ist für mich nur ein Werkzeug.» Erfolg bedeute für ihn, einer Arbeit nachzugehen, die ihm Spass macht. «Ich wäre ein schlechter Angestellter. Es wäre schrecklich, wenn ich von Montag bis Freitag, 8.00 –17.00 Uhr arbeiten müsste.» Er arbeite sehr viel, auch an den Wochenenden, aber die freie Zeit- und Arbeitseinteilung ist ihm dabei wichtig. «Ich bin ein freiheitsliebender Mensch.» Vielleicht spielen hier auch seine Bündner Wurzeln eine Rolle. Willy ist in den Bergen in Zuoz aufgewachsen.

Am Ziel angelangt ist Willy trotz seiner steilen Karriere noch lange nicht. «Ein richtiger Unternehmer wird nie zur Ruhe kommen.» In der Tätigkeit an sich sieht Willy das Ziel. Zurzeit baut er eine neue Geschäftsidee auf – Swiss Whisky. «Dabei denke ich in erster Linie nicht an mich, Whisky ist langlebig und der Aufbau braucht Zeit.» Willy möchte mit diesem neuen Geschäftsfeld vor allem den Grundstein für ein gesundes Familienunternehmen legen. Vielleicht lautet sein nächstes Projekt dann: die Gründung einer Familie.

Zur Person:

Aufgewachsen ist der heute 32-jährige Rinaldo Willy in Zuoz. Nach einer kaufmännischen Lehre in einem Engadiner Treuhandbüro folgte ein einjähriger Auslandaufenthalt in Amerika. Danach studierte er berufsbegleitend Betriebswirtschaft an der HTW Chur und arbeitete bei der Graubündner Kantonalbank im Back- office. Mit 23 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen, die Algordanza. Seither verwirklichte der Jungunternehmer erfolgreich mehrere Geschäftsideen. Neben dem Segeln zählt auch das Lesen und Joggen zu seinen Hobbys.

Natalie Achermann (Juli 2012)

Dieses Porträt habe ich für das Magazin der HTW Chur «Wissensplatz» als freie Mitarbeiterin geschrieben. Die entsprechende Ausgabe als PDF kann hier heruntergeladen werden: Wissensplatz Ausgabe 2/2012

 

Schreibe einen Kommentar